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Michael Schlüter
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Dr. Gerd Kassebeer (10.97): AH 1/98/040

 

Regenwasser fürs Aquarium?

Oder muß es eine RO-Anlage sein?

 Viele Züchter von Aquarienfischen und viele Pfleger anspruchsvoller Aquarienpflanzen betreiben Revers-Osmose-Anlagen (RO), um salzarmes, weiches Wasser zu erzeugen, weil das verfügbare Leitungswasser zu hart ist. Der Autor dieses Artikels benutzt seit vielen Jahren eine Vollentsalzungsanlage, um sein Aquarienwasser zu verbessern. Liest man dagegen alte aquaristische Literatur, so stößt man immer wieder auf die Verwendung von Regenwasser fürs Aquarium. Ist Regenwasser von heute nicht mehr geeignet für die Aquaristik?

 1.) Der saure Regen

Einige Seen des norwegischen Hochlandes haben pH-Werte unter 4. Forellen sind in diesen Gewässern ausgestorben, wahrscheinlich weil der saure Niederschlag Aluminium aus dem Gestein mobilisiert, das dann die Planktonbildung unterdrückt. Der Forellennachwuchs muß verhungern. Verantwortlich ist in erster Linie die im Regen enthaltene Schwefelsäure, die als Schwefeldioxid aus englischen Kohlekraftwerken emittiert und anschließend in der Luft zu Schwefelsäure oxidiert wird. Durch den Regen wird sie in die Gewässer transportiert.

Diese Geschichte ist mir seit vielen Jahren bekannt und war für mich der Hauptgrund, Regenwasser nicht aquaristisch zu verwenden. Nun sind aber aufgrund der Verschärfung der gesetzlichen Regelungen für die Emission von Schadstoffen aus Verbrennungsanlagen zumindest in Deutschland geringere Schadstoffkonzentrationen als vor etwa 20 Jahren zu erwarten. Beim Schwefel ist tatsächlich eine Minderung eingetreten, bei den Stickoxiden aber nicht. Hier hat die Zunahme des Autoverkehrs als Hauptemissionsquelle die Auswirkungen der Entstickung von Kraftwerksabgasen kompensiert. Weiteres ergibt sich aus der Diskussion der Regenwasseranalysen.

 2.) Ist Regenwasser nicht reines Wasser?

Der Regen wäscht einen großen Teil der gasförmigen und staubförmigen Schadstoffe aus der Luft aus und reinigt sie dadurch. Der verunreinigte Regen gelangt in den Boden und in die Oberflächengewässer, u. a. in die Regentonnen. Das Wasser passiert vor Erreichen der Tonne noch die Dachfläche, die Regenrinne und das Fallrohr. Vor allem bei geringem Niederschlag können erhebliche Verschmutzungen des Regenwassers auftreten und seine Eignung als Aquarienwasser infrage stellen. Bei starkem Regen wird die Verschmutzung relativiert, und die Eignung als Aquarienwasser ist eher gegeben.

Die Niederschlagsmenge beträgt in Norddeutschland etwa 60 cm pro Jahr. Ein Hausdach über einer Grundfläche von 50 m2 erbringt etwa 30 m3 Niederschlag pro Jahr, ein Garagendach über 6 Garagen etwa 60 m3 pro Jahr. Gelingt es, einen Teil davon aufzubewahren, so hat man eine beachtliche Wassermenge zur Verfügung, vorausgesetzt, die Qualität stimmt.

 3.) Ein wenig Luftchemie

a.) Schwefelsäure: Bei der Verbrennung schwefelhaltiger Brennstoffe (Steinkohle, Braunkohle, schweres Heizöl, Holz, Torf) entsteht zunächst Schwefeldioxid. Bei deutschen Kraftwerken wird ein großer Teil davon aus dem Abgas entfernt. In der Luft wird das Schwefeldioxid allmählich oxidiert zu Schwefeltrioxid, das Wasser anzieht und Schwefelsäure bildet.

b.) Salpetersäure: In allen Verbrennungsabgasen sind Stickoxide (NO und NO2) enthalten. Sie werden auch als NOx bezeichnet und entstehen überwiegend durch die Reaktion von Sauerstoff mit Stickstoff in der Flamme. Bei deutschen Kraftwerken wird inzwischen ein Großteil davon entfernt durch sogenannte DENOX-Anlagen. Leider entstehen diese Gase auch im Automotor! In der Luft entsteht zunächst aus dem Stickstoffmonoxid (NO) Stickstoffdioxid (NO2). Das reagiert mit Wasser zu salpetriger Säure (HNO2) und Salpetersäure (HNO3). Die salpetrige Säure wird durch den Luftsauerstoff allmählich zu Salpetersäure oxidiert.

c.) Ammoniak: Ammoniak entsteht hauptsächlich in der Landwirtschaft aus Tierexkrementen (Jauche, Mist, Gülle), zum Teil tritt es aus gedüngten Böden aus. Es wird teilweise als Ammoniumsalz durch Luftsäuren gebunden, teilweise wird es auch über mehrere Stufen zu Salpetersäure oxidiert.

d.) Ozon: Ozon dürfen wir bei unserer Betrachtung vernachlässigen. Es bildet sich nur bei Sonnenschein und ist in Regenwasser nicht haltbar.

e.) Natriumchlorid: In küstennahen Regionen ist bei Starkwind mit Natriumchlorid (NaCl) aus zerstäubten Meerwasser zu rechnen.

f.) Salzsäure: Chlorwasserstoff (HCl) wurde früher im großen Maße durch Müllverbrennungsanlagen emittiert. Durch vorgeschriebene Reinigungsanlagen ist die Emission zurückgegangen. Das Gas bildet in Regenwasser Salzsäure.

g.) Staub: Staub wird bei großen Verbrennungsanlagen durch Elektrofilter weitgehend entfernt, bei Kleinanlagen jedoch kaum. Er besteht teilweise aus Asche, teilweise aus Ruß. Asche enthält auch Schwermetalle wie Kupfer, Zink und Cadmium, während Quecksilber zunächst gasförmig auftritt. Ruß enthält krebserregende aromatische Kohlenwasserstoffe.

 4.) Die Frankfurter Pfanne

Als ich vor vielen Jahren zum ersten Male Regenwasser untersuchte, stellte ich einen pH von 7 fest. Ich war sehr überrascht, hatte ich doch mit saurem Regen gerechnet. Nach Überprüfung des pH-Meters und weitergehender Analyse fand ich den Wert bestätigt. Außerdem fand sich Härte. Nach einiger Überlegung kam ich auf die Dachziegel. Es sind Frankfurter Pfannen, die aus Beton bestehen. Ihre normale Lebensdauer beträgt etwa 30 Jahre. Dann müssen sie ersetzt werden. Durch sauren Regen werden sie allmählich aufgelöst. Tonziegel und bitumengedeckte Dächer werden das nicht. Bitumen gibt dafür Phenole ab. Tonziegel sind zwar stabil gegen sauren Regen, finden sich aber kaum auf Neubauten.

 5.) Bescheidene Mittel für die Regenwasseruntersuchung

Zur Vorbereitung dieses Artikels habe ich 12 Regenwasserproben in einer Schwachregenperiode Anfang Oktober 1997 untersucht. Die Quellen waren ein Hausdach mit 2 Jahre alten Frankfurter Pfannen und ein Garagendach mit einer etwa 10 Jahre alten Bitumendeckung. Zur Analyse standen mir ein Leitwertmesser und ein pH-Meter der Firma DUPLA sowie Tropftests der gleichen Firma zur Verfügung. Für Spurenmessungen wurden die Tests in modifizierter Form angewandt. Außerdem wurden Standards zum Vergleich benutzt. Für die Chloridmessung wurde ein Tropftest erfunden. Sulfat konnte nicht gemessen werden, sondern nur geschätzt als Teil der Differenz zwischen Gesamt- und Karbonathärte. Mein analytisches Instrumentarium war zwar sehr bescheiden, doch reichte es zur Gewinnung einiger Erkenntnisse aus.

 6.) Analysenergebnisse

a.) Leitwert: Der Leitwert lag bei starken Regen einmal bei 10 µS/cm, bei Nordweststurm und Nieselregen einmal bei 413 µS/cm. Alle anderen Werte lagen zwischen 30 und 127 µS/cm.

Nun ist bekannlich der Leitwert ein grobes Maß für die Konzentration von Mineralsalzen. Ein Millimol/l Salz mit einwertigen Kationen und Anionen hat einen ungefähren Leitwert von 125 µS/cm, 1°dH entspricht etwa 45 µS/cm. Mit diesen beiden Zahlen kann man feststellen, ob der Leitwert allein durch die Härte erklärt werden kann oder nicht. Mit dieser Methode und einer zusätzlichen Chloridmessung konnte in drei der Proben Natriumchlorid nachgewiesen werden. Bei allen anderen Proben war der Leitwert durch die Summe der gefundenen Kationen (Härtebildner und Ammonium) erklärt. H+-Ionen spielten keine Rolle bei dieser Betrachtung.

b.) pH-Wert: Vom Hausdach kam Wasser mit pH-Werten zwischen 6,4 (starker Regen) und 7,4, vom Garagendach zwischen 4,6 und 5,4.

c.) Härte: Beim Hausdach gab es einen Spitzenwert von 6°dH, im Durchschnitt 1,5°dH, beim Garagendach lag der Meßwert bei oder unter 0,5°dH.

d.) Karbonathärte: Beim Hausdach waren es 1 - 1,5°dKH, beim Garagendach 0°dKH.

e.) Nitrat: Die Nitratkonzentration schwankte zwischen 0 und 20 mg NO3/l, je nach Art des Regens. Bei Nieselregen war der Wert hoch, bei starkem Regen niedrig.

f.) Nitrit: Der Wert schwankte zwischen 0 und 2 mgNO2/l, abhängig von der Stärke des Regens. Die Relation zum Nitrat war stets ein Zehntel des Nitratwerts.

g.) Ammonium: Der Wert schwankte zwischen 0 und 5 mg NH4/l, im Mittel lag er bei 2 mg NH4/l. Die Schwankungen waren nicht ähnlich denen des Nitrats. Das liegt an den unterschiedlichen Quellen.

h.) Kieselsäure: Beim Hausdach lagen die Werte zwischen 0,5 und 2 mg SiO2/l, beim Garagendach bei 0 - 0,2 mg SiO2/l.

i.) Phosphat: Die Werte lagen zwischen 0 und 0,05 mg PO4/l, abhängig von der Intensität des Regens.

j.) Kupfer: Der Wert bewegte sich zwischen 0,02 und 0,05 mg Cu/l. Eisen war dagegen nicht nachweisbar.

k.) Trübung: Beim Hausdach war die Trübung bei Nieselregen am stärksten, beim Garagendach bei starken Regen. Die meisten Proben waren klar.

l.) Chlorid: Der Verdacht auf Meersalzeinfluß rührte von den gemessenen Leitwerten her, die nicht durch gemessene Kationen erklärt werden konnten. Es waren 3 von 12 Werten. Erst bei der letzten wurde auch gemessen, und zwar 18 mg Cl/l, in guter Übereinstimmung mit dem kalkulierten Wert.

m.) Sulfat: Der Wert konnte nicht gemessen werden, sondern nur abgeschätzt als Lücke in der Ionenbilanz. Da auch die Kationen nicht vollständig gemessen werden konnten, z. B. Natrium und Kalium, blieb nur der Ansatz: Gesamtsalzgehalt aus dem Leitwert minus Nitrat, Chlorid und Hydrogencarbonat, um zumindest die Größenordnung abzuschätzen. Wegen des nur einmal gemessenen Chlorids war das Ergebnis etwas vage. Auf jeden Fall aber war Sulfat dominierend wie in den sauren Seen Norwegens.

 7.) Bewertung

Das Regenwasser ist zwar mit zahlreichen Stoffen kontaminiert, aber längst nicht so stark wie vermutet. Die Proben wurden überwiegend bei Beginn von Nieselregen nach einer längeren Trockenperiode genommen, sind daher nicht repräsentativ. Je stärker es regnete, um so besser wurde das Wasser. Überraschend für mich war das viele Ammonium und der Einfluß der 100 km entfernten Nordsee bei starkem Wind. Überraschend war auch, daß er nicht sehr sauer war. Nun zur Fage der Verwendbarkeit:

Ammonium, Nitrit und Trübung lassen sich durch Lagerung reduzieren. Überhaupt, wer mehr lagern kann als den Inhalt eines 200 l-Fasses und Leitwerte unter 50 µS/cm erzielt, der sollte das Regenwasser getrost verwenden. Allerdings muß wohl stets mit Überraschungen gerechnet werden. Krasse Sprünge kamen innerhalb von Stunden vor. Wasser bei Nieselregen war stets schlecht.

Man muß also vorsichtig mit Regenwasser sein. RO-Wasser oder vollentsalztes Wasser sind zwar teurer, aber sicherer!

 

 


© 2003 Michael Schlüter

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