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Michael Schlüter
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Barboides gracilis BRÜNING, 1929

- und wie aus einem Salmler eine Barbe wurde

AQUARISTIK AKTUELL 2/97 S. 30-31

1995 wurden von der Firma Bitter Exotics und anderen Importeuren einige in der Aquaristik seltene Salmler aus Westafrika importiert. Hierzu gehörten unter anderem verschiedene Neolebias-Arten, Lepidarchus adonis signifer und Ladigesia cf. roloffi.

Da Friedrich Bitter meine Vorliebe für kleine “Westafrikaner" kennt, machte er mich anläßlich eines Besuchs im März 1995 auf acht kleine Salmler aufmerksam. Diese waren als Beifänge von Procatopus nototaenia aus der Umgebung von Kribi, Südwestkamerun, importiert worden.

Barboides graciles Jungfisch

Jungfisch der ersten Zucht © 1996 Michael Schlüter.

 

Eine Determinierung der Fische war uns nicht möglich. Aufgrund der fehlenden Fettflosse kam die Gattung Neolebias in Betracht. Allerdings schwammen die Tiere in den mittleren Wasserschichten des Aquariums und sahen auch von der Gestalt her nicht wie typische Neolebias aus. Unabhängig davon war ich sehr erfreut, daß mir diese Fische überlassen wurden.

Zuhause angekommen setzte ich die Neuerwerbungen vorsichtig in Hamburger Leitungswasser um. Da die Tiere lediglich eine Länge von 1,3 bis 1,5 Zentimetern hatten, vergesellschaftete ich sie mit jungen Neolebias kerguennae. Danach begann das Literaturstudium. Zunächst wurde ich nicht fündig. Erst rund zwei Monate später stieß ich zufällig auf einen Artikel von Otto Gartner in DATZ 1981 (4). Meine Salmler waren Barben, nämlich Barboides gracilis! Aus Gartners Bericht geht hervor, daß auch die von ihm gepflegten Tiere in Kribi gefangen wurden. Es findet sich auch eine genaue Biotopbeschreibung des Fundortes. Die Wasserwerte für “zahlreiche Regenwaldbäche nahe der Stadt Kribi" werden von Gartner nach Messungen im Winter 1971/72 wie folgt angegeben: unter 1°dGh = 15 bis 45 Mikrosiemens, pH-Wert 5,5 bis 5,8, Temperatur 24 bis 25 ° C.

Barboides gracilis soll laut Aquarien-Atlas Bd. 4 auch in Nigeria sowie im südöstlichen Benin vorkommen. Vielleicht erklärt sich so die unterschiedliche Färbung meiner Fische zu dem dort abgebildeten Tier. Eventuell handelt es sich dabei um ein ausgewachsenes Weibchen.

Mit einer Maximalgröße von 22 Millimetern im männlichen und 24 Millimetern im weiblichen Geschlecht ist B. gracilis vermutlich der kleinste Cyprinide Afrikas.

Barboides graciles Weibchen

Weibchen mit gut sichtbarem Laichansatz © 1996 Michael Schlüter

Fütterung und Haltung erwiesen sich als unproblematisch. Barboides gracilis eignet sich hervorragend für ein Gesellschaftsaquarium mit anderen Zwergfischen. Mögliche Beifische wären hier zum Beispiel Corydoras pygmaeus und C. hastatus (wenn auch beide aus Südamerika), Aplocheilichthys myersi, Epiplatys annulatus, die oben genannten Salmler oder Barbus jae.

Feste Reviere werden von meinen Fischen nicht gebildet. Die Männchen treiben in typischer Barbenart, jedoch nur über sehr kurze Strecken. Als Futter eignet sich jegliche kleine Lebendfuttersorte. Besonders gern werden Artemia-Nauplien genommen.

Nachdem die Tiere ihre Endgröße beinahe erreicht hatten, setzte ich den Schwarm zur Zucht an. In dem kleinen Aquarium ohne Bodengrund, mit Osmosewasser befüllt und Javamoos sowie Torf als Laichsubstrat, standen sie blaß in der Ecke. Als nach zwei Wochen immer noch keine Eiablage erfolgt war, gab ich den Versuch auf. Ein neues Becken mit den Maßen 50 x 30 x 20 cm wurde eingerichtet. Als Bodengrund brachte ich gewaschenen Sand und darüber eine Schicht ausgekochten Fasertorfes ein. Der Torf reichte an der hinteren Längsseite bis zur Wasseroberfäche. Zusätzlich gab ich noch einige Erlenzapfen ins Wasser hinein und die vordere Längsseite wurde mit Javamoos und -farn dicht bepflanzt. Die Wasseroberfläche dunkelte ich mit Riccia ab.

Das Aquarium wurde mit reinem Osmosewasser gefüllt, über eine Schaumstoffmatte gefiltert und so für zwei Wochen sich selbst überlassen. Die Wasserwerte pendelten sich so auf einen pH-Wert von 6,3 ein, KH und GH waren nicht nachweisbar, der Leitwert betrug lediglich 60 Mikrosiemens. Wöchentlich erfolgt in diesem Zuchtbecken ein 30prozentiger Wasserwechsel mit frischem Osmosewasser. Die Temperatur schwankt zwischen 23 und 25° C tagsüber sowie 20 bis 22° C bei Nacht. Beleuchtet wird der Pflanzenteil mit einer 8-Watt-Arbeitsleuchte.

Sofort nach dem Einsetzen schwammen die B. gracilis frei im Aquarium, jegliche Scheu war verschwunden. Nach ein paar Tagen fingen die Männchen an zu treiben und versuchten, die Weibchen in das Pflanzendickicht zu locken. Die Versuche sahen allerdings eher halbherzig aus, eine direkte Balz konnte ich tagsüber nicht beobachten.

Barboides graciles Männchen

Die Männchen sind etwas intensiver gefärbt  © 1996 Michael Schlüter

Weitere zwei Wochen später sah ich die ersten Paarungen zwischen den Pflanzen. Eier waren nicht zu entdecken, doch zehn Tage später schwammen die ersten Jungen im Becken. Sie haben anfangs eine Größe von 1,5 Millimetern und halten sich vorwiegend am Bodengrund auf. Ist der zunächst vorhandene Dottersack aufgebracht, so erschließen sich die Fische die obere Wasserregion zwischen den Schwimmpflanzen.

Meine ersten Jungfische versuchte ich umzusetzen, was sich aufgrund der Torfschicht als äußerst problematisch erwies. Lediglich sechs Jungtiere konnte ich auf diese Weise fangen. Sie wurden in einem Ablaichkasten im Zuchtbecken aufgezogen. Trotz ihrer geringen Größe waren sie bereits zwei Tage nach dem Freischwimmen in der Lage, kleinste Artemia-Nauplien aufzunehmen.

Zu meinem Erstaunen stellten sich im Ansatzaquarium immer mehr Jungfische ein. Ich konnte bisher nicht beobachten, daß sie von den ausgewachsenen Tieren oder älteren Geschwistern gefressen wurden. Die Zucht ist also problemlos im Daueransatz möglich, obwohl durch ein Herausfangen der Jungfische sicher bessere Zuchterfolge zu erreichen sind, da die Fütterung gezielter erfolgen kann. Mittlerweile befinden sich ungefähr 60 B. gracilis in dem Aquarium.

Erstaunlich langsam verläuft bei dieser Art der Vermehrung das Wachstum. Nach rund einem halben Jahr haben die Fische gerade erst einmal 15 Millimeter Länge erreicht. Man muß also eine Menge Geduld aufbringen, will man diese Minibarbe über mehrere Generationen züchten.

Literatur

Baensch, H. A., & Dr. R. Riehl (1995): Aquarien-Atlas Bd. 4. 1. Aufl.: 166. Mergus-Verlag GmbH, Melle.

Gartner, O. (1981): Klein(st)od aus Westafrika: Barboides gracilis Brüning, 1929. DATZ 34 (4): 115 - 119.

Anonymus (1973): Neue Afrikaner. TI 22: 26 - 27.    

                             


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